Fischöl gilt als natürlicher Helfer für das Herz. Es soll Gefäße schützen, Entzündungen mildern und das Blut geschmeidiger machen. Für viele klingt das nach einer sanften Unterstützung – einfach einzunehmen, gut verträglich, seit Jahren bewährt.
Doch neue Studien zeigen: Gerade bei Menschen mit Herz-Kreislauf-Erkrankungen kann Fischöl in höheren Dosen unerwünschte Wirkungen haben. Die Deutsche Herzstiftung hat sich dieser Frage in ihrer „Herzsprechstunde“ gewidmet – und eine klare, aber differenzierte Antwort gegeben.
Wir haben für Sie gelesen – und zusammengefasst, was Sie jetzt wissen sollten, wenn Sie Fischöl einnehmen oder darüber nachdenken.
Omega-3 – was steckt hinter dem Hype?
Seit Jahren empfehlen viele Mediziner:innen, regelmäßig Omega-3-Fettsäuren zu sich zu nehmen – besonders EPA (Eicosapentaensäure) und DHA (Docosahexaensäure). Diese kommen vor allem in fettreichen Seefischen vor und gelten als Schutzfaktor für Herz und Gefäße.
Wer keinen Fisch isst oder die Zufuhr erhöhen möchte, greift häufig zu Fischölkapseln oder hochdosierten Omega-3-Präparaten. Das Versprechen: eine einfache Maßnahme, um Herz und Kreislauf zu unterstützen.
Aber nicht alles, was natürlich klingt, ist automatisch harmlos – vor allem nicht in hoher Dosis.
Was sagt die Deutsche Herzstiftung?
In einem aktuellen Beitrag beantwortet Prof. Dr. Thomas Voigtländer, Vorstandsvorsitzender der Deutschen Herzstiftung, die Frage eines Patienten, der verunsichert war: Kann Fischöl Vorhofflimmern auslösen?
Seine Antwort ist eindeutig:
„In mehreren Studien kam es unter der Einnahme von Omega-3-Fettsäuren häufiger zu Vorhofflimmern als bei denjenigen, die ein Placebo erhalten hatten.“
Und weiter:
„Die Häufigkeit von Vorhofflimmern scheint mit der Höhe der eingenommenen Dosis zusammenzuhängen.“
Betroffen waren vor allem Patient:innen, die ohnehin ein erhöhtes Risiko für Herzrhythmusstörungen hatten – etwa durch Bluthochdruck, koronare Herzkrankheit oder frühere Rhythmusstörungen.
Was ist Vorhofflimmern – und warum ist es relevant?
Vorhofflimmern ist die häufigste anhaltende Herzrhythmusstörung. Dabei geraten die elektrischen Impulse der Herzvorhöfe durcheinander – das Herz schlägt unregelmäßig und oft zu schnell.
Die Symptome sind vielfältig:
- Herzstolpern oder -rasen
- Kurzatmigkeit, Schwindel, Müdigkeit
- Ein Gefühl von innerer Unruhe oder „aus dem Takt sein“
Unbehandelt kann Vorhofflimmern zu Schlaganfällen führen, weil sich in den flimmernden Vorhöfen Blutgerinnsel bilden können. Deshalb ist es wichtig, neue Symptome ernst zu nehmen – besonders, wenn sie nach der Einnahme von Fischöl auftreten.
Fischöl: Wann sinnvoll – und wann problematisch?
Die Studienlage zeigt ein differenziertes Bild: Fischöl kann hilfreich sein, etwa zur Senkung erhöhter Triglyzeridwerte oder als Teil einer Therapie nach Herzinfarkt – aber nicht in jeder Situation.
Wichtig zu wissen:
- Je höher die Dosis, desto größer das Risiko für Vorhofflimmern.
In Studien mit etwa 4 g Fischöl pro Tag war das Risiko deutlich erhöht. - Bei gesunden Menschen ist bisher kein erhöhtes Risiko eindeutig nachgewiesen.
Wer Fischöl in niedriger Dosierung einnimmt und keine Vorerkrankungen hat, muss sich nicht sofort sorgen. - Bei bestehenden Herzproblemen oder einer Vorgeschichte mit Rhythmusstörungen ist Vorsicht geboten.
Eine Einnahme sollte in jedem Fall ärztlich begleitet werden.
„Wenn Fischölpräparate eingenommen werden, sollte dies in Rücksprache mit dem Arzt oder der Ärztin erfolgen“, rät Prof. Voigtländer.
Was bedeutet das konkret für Sie?
Wenn Sie regelmäßig Fischöl einnehmen oder damit beginnen möchten, fragen Sie sich:
- Warum nehme ich Fischöl?
Liegt eine ärztlich empfohlene Indikation vor – z. B. zur Senkung der Blutfette? Oder handelt es sich eher um eine vorsorgliche Maßnahme „auf gut Glück“? - Welche Dosis nehme ich ein?
Die meisten frei verkäuflichen Präparate enthalten moderate Mengen – ein bis zwei Kapseln am Tag. Dennoch lohnt sich ein Blick auf die Packung oder Rücksprache mit dem Arzt. - Habe ich Vorerkrankungen oder Symptome?
Wenn Sie Herzprobleme haben oder schon einmal Vorhofflimmern erlebt haben, sollten Sie keine Omega-3-Präparate ohne ärztlichen Rat einnehmen.
Gibt es Alternativen zu Fischöl?
Ja – vor allem pflanzliche. Die Omega-3-Fettsäure ALA (α-Linolensäure) ist in vielen pflanzlichen Lebensmitteln enthalten:
- Leinsamen und Leinöl
- Walnüsse
- Rapsöl
- Chiasamen
Zwar wird ALA im Körper nur zu einem geringen Teil in EPA und DHA umgewandelt, doch als Teil einer ausgewogenen Ernährung ist es ein guter Beitrag zur Herzgesundheit – ohne die Risiken hochdosierter Präparate.
Auch Algenöl wird als vegane Alternative zu Fischöl angeboten. Es enthält direkt DHA und EPA. Allerdings fehlen bislang aussagekräftige Studien zur Sicherheit und Wirkung von Algenöl bei Herzrhythmusstörungen.
Zwischen Hoffnung und Verantwortung: Ihr Herz, Ihr Kompass
Der Wunsch, das Herz zu schützen, ist menschlich – und wertvoll. Doch wie bei allem, was wirkt, gilt: Informierte Entscheidungen sind der beste Schutz. Fischöl ist kein Wundermittel, aber auch kein Feind. Es kann helfen – doch nur, wenn es zur jeweiligen gesundheitlichen Situation passt.
Wenn Sie sich unsicher sind, sprechen Sie mit Ihrem Arzt oder Ihrer Ärztin. Nehmen Sie neue Symptome ernst. Und: Vertrauen Sie nicht allein auf Nahrungsergänzungsmittel. Eine ausgewogene Ernährung, Bewegung und Stressreduktion bleiben die Säulen jeder Herzgesundheit.
„Gesundheit ist keine Frage von Hoffnung allein – sondern von guter Information“, sagt Prof. Voigtländer.
Fazit: Weniger ist manchmal mehr
Fischöl kann eine sinnvolle Ergänzung sein – aber nicht für jede:n. Wer bereits Herzprobleme hat oder hohe Dosen einnimmt, sollte genau hinsehen. Neue Erkenntnisse zeigen: Der vermeintlich sanfte Helfer kann das Herz auch aus dem Takt bringen.
Setzen Sie auf Wissen, statt auf Vermutung. Auf ärztlichen Rat, statt auf Werbung. Und auf Ihr Gespür – denn oft ist es das Herz selbst, das uns den richtigen Weg zeigt.
Quellen:
https://herzstiftung.de/herz-sprechstunde/alle-fragen/vorhofflimmern-fischoel-kapseln